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Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen

In Kooperation mit:

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Baden-Württemberg

Cover: searching for traces

Aktuell-Beiträge April 2009

München: Das Gedenken ist stärker als alle Verbote

Offener Brief an den DB-Vorstand Dr. Otto Wiesheu/ Präsidentin des Zentralrats der Juden: Verhalten der Bahn AG "ungeheuerlich"/ Tausende Münchener kommen an Gleis 35 und ehren die Opfer

Dr. Otto Wiesheu (Vorstand Wirtschaft
und Politik der DB AG) ist für die in
München ergriffenen Maßnahmen
verantwortlich.

MÜNCHEN - Trotz anhaltender Versuche, den "Zug der Erinnerung" von der Münchener Öffentlichkeit abzuschirmen, finden Tausende den Weg zu Gleis 35 des Hauptbahnhofs. Dort hatte die Bahn AG am Montag mehrfach in das Ausstellungsgeschehen eingegriffen. Die Unternehmensbeauftragten warteten bis zum Ende der Eröffnung durch OB Christian Ude und nutzten die anschließende Abwesenheit der Medien, um sämtliche Hinweisschilder mit den Fotos der Opfer zu beschlagnahmen. Vor den Ausstellungswagen ließen sie bewaffnete Sicherheitskräfte aufmarschieren und warfen in das Getriebe der Dampflok korngroße Bindemittel (Medienberichte). Um die Beschädigungen und Drohkulissen zu rechtfertigen, schützte die Bahn AG vor, sie müsse "Brandschutz", "Katastrophenschutz" und "Schutz vor Rechtsradikalen" leisten - ohne jeglichen Anlass.

Auf die Übergriffe und durchsichtigen Begründungen der Deutschen Bahn AG reagiert die deutsche Öffentlichkeit mit Empörung. Bei einem Besuch am "Zug der Erinnerung" zeigten sich Überlebende der Massenverbrechen im KZ Dachau bestürzt. Sie legten an den Waggons Blumen nieder. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, die am Dienstag auf Gleis 35 kam, nannte das Verhalten der Bahn "ungeheuerlich und nicht nachvollziehbar". "Hinweisschilder (auf das Gedenken an die Opfer) unter dubiosen Begründungen zu entfernen, ist für mich ein weltweit einmaliger Skandal", sagte Frau Knobloch.

Wegen der Übergriffe auf das Gedenken an die Ermordeten richtete der Vorstand der Bürgerinitiative, die den Zug seit 2 Jahren durch Deutschland fahren lässt, an die Deutsche Bahn AG am 29.4. ein Protestschreiben. Adressat ist das Vorstandsmitglied Dr. Otto Wiesheu, der bei der DB AG den Bereich "Wirtschaft und Politik" leitet (Otto Wiesheu). Wiesheu hatte dem "Zug der Erinnerung" in den vergangenen Jahren mehrfach mitgeteilt, dass er zu keinerlei Gespräch bereit sei. Die von der Bahn AG bisher eingezogenen 140.000 Euro ("Trassen- und Stationsgebühren" für das Gedenken) werde die DB AG auf keinen Fall zurückspenden. Wir bringen den Text des Briefes im Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Dr. Wiesheu,

trotz zahlreicher Appelle an die Deutsche Bahn AG hat es Ihr Unternehmen erneut für richtig gehalten, den "Zug der Erinnerung" massiv zu behindern, dieses Mal nach seiner Einfahrt in München. Ein würdiges Gedenken an die über 200 aus München verschleppten Kinder, an die ermordeten Jugendlichen aus ganz Deutschland und Europa haben Beauftragte Ihres Unternehmens durch Eingriffe in das Ausstellungsgeschehen aufs schwerste beeinträchtigt.

Zu den von der DB AG angeordneten Maßnahmen gehört die Beschlagnahme von Hinweisschildern mit Fotos der Opfer und der bedrohliche Auftritt von Bewaffneten vor dem "Zug der Erinnerung". Zu den Einzelheiten verweisen wir auf die Berichterstattung in den Medien.

Eine öffentliche Wertung Ihres Umgangs mit dem Gedenken an die Millionen Deportierten der „Deutschen Reichsbahn“ hat die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland bei einem gestrigen Besuch auf dem Münchener Hauptbahnhof vorgenommen.

Wir haben diesen Ausführungen, in denen von einem ungeheuerlichen Verhalten der Deutschen Bahn AG die Rede ist, nichts hinzuzufügen.

Die Deutsche Bahn AG hat seit Beginn des Gedenkens an die jugendlichen Opfer Ihres Vorgängerunternehmens immer wieder Versuche unternommen, den "Zug der Erinnerung" vor der deutschen und internationalen Öffentlichkeit abzuschirmen.

Dazu gehört das Drehverbot für TV-Berichterstatter, denen Sie die Aufzeichnung von Interviews mit unseren Zugbegleitern verboten haben.

Wir haben Sie unzählige Male um Gespräche gebeten, damit die unwürdige Kontroverse beendet wird und das Gedenken nicht länger überschattet.

Sämtliche unserer Gesprächsbitten weisen Sie seit über zwei Jahren zurück. Ihre Münchener Eingriffe sind der bisherige Höhepunkt dieses konfrontativen Verhaltens.

Wir dürfen Ihnen versichern, daß es der Deutschen Bahn AG nicht gelingen wird, den "Zug der Erinnerung" anzuhalten und die historische Wahrheit zu unterdrücken.

Das Gedenken ist stärker als alle Verbote.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Rüdiger Minow

Vorstandssprecher"


Massive Behinderungen durch die DB AG in München

Appell an die Münchener Zivilgesellschaft:
"Schützen Sie das Gedenken an die Opfer"

MÜNCHEN - Mit massiven Behinderungen auf dem Münchener Hauptbahnhof setzt die Deutsche Bahn AG ihren Boykott gegen den "Zug der Erinnerung" fort. Der Zug, der in mehreren Ausstellungswagen letzte Lebenszeugnisse jugendlicher Opfer der NS-Deportationen mit der "Deutschen Reichsbahn" zeigt, steht seit Montag (27.04.) auf einem Außengleis des Bahnhofs.

Unmittelbar nach Eröffnung durch den Münchener Oberbürgermeister Christian Ude und mehrere Überlebende griff das Bahnhofsmanagement in das Ausstellungsgeschehen ein. Die DB AG beschlagnahmte im gesamten Bahnhofsbereich sämtliche Hinweistafeln auf den "Zug der Erinnerung" und die über 200 deportierten Kinder der Stadt ("Brandschutzmaßnahme"), ordnete "technische Kontrollen" des Zuges an und ließ Gruppen bewaffneter Sicherheitskräfte vor den Ausstellungswagen patrouillieren.

"Unter diesen Umständen ist ein würdiges Gedenken an die deportierten Kinder und Jugendlichen in München nicht möglich", heißt es in einer Stellungnahme der Bürgerinitiative "Zug der Erinnerung", die das Gedenkprojekt seit 2007 durch Deutschland fahren lässt. "Wir erwarten und verlangen, dass die DB AG die Behinderungen sofort einstellt. Wir appellieren an die Münchener Zivilgesellschaft, dem Boykott entgegenzutreten und das Gedenken vor dem Zugriff der Deutschen Bahn AG zu schützen. Sollte eine würdige Ehrung der Deportierten in München unmöglich sein, werden wir den 'Zug der Erinnerung' abziehen. Eine weitere Beleidigung der Opfer aus München, aus ganz Deutschland und fast sämtlichen europäischen Staaten lassen wir nicht zu."

Am "Zug der Erinnerung" hatten am Montag neben Vertretern der Stadt und der jüdischen Gemeinde konsularische Repräsentanten aus den vormals okkupierten Ländern Blumen niedergelegt, um ihre ermordeten Staatsbürger zu ehren. Ziel des Zuges ist die Gedenkstätte Auschwitz.

Von den Initiatoren des Gedenkens an den Massenmord verlangte das Nachfolgeunternehmen der "Deutschen Reichsbahn" bisher über 140.000 € ("Bahnhofsgebühren" und "Trassenpreise"). Auf mehreren früheren Deportationsbahnhöfen verbot die DB AG Fernsehteams Interviews am "Zug der Erinnerung" (Freiburg) oder behinderte den öffentlichen Zugang auf andere Weise.


Auf den Gleisen des Massenverbrechens:

Augsburg - Kaufering - München

Spurensuche in Augsburg/ Gedenken an die Opfer von Dachau/ Blumen auf dem Münchener Hauptbahnhof

Marianne Weil (mit Köfferchen), ihre Schwester Gertrud und ihre Mutter wurden
im März 1943 mit der Reichsbahn von Augsburg nach Auschwitz deportiert.

Nach Abschluss seines dreitägigen Aufenthalts in Ulm (3.600 Besucher) steuert der "Zug der Erinnerung" jetzt Bayern an. Die Ausstellung wird am Donnerstag in Augsburg erwartet (Gleis 2 Süd). Dort stellen der Grundkurs Geschichte des Anna-Gymnasiums und das Jüdische Kulturmuseum lokale Exponate über die aus Augsburg verschleppten Kinder zur Verfügung. An den Vorbereitungen des Gedenkens maßgeblich beteiligt sind auch das Maria-Theresia-Gymnasium, das Stadtarchiv und das Schulreferat (Flyer Augsburg). Am kommenden Sonntag wird der Zug in Kaufering sein. Auf dem Bahnhofsvorplatz weiht die Gemeinde ein Denkmal für die Opfer des KZ Dachau ein. Die KZ-Verwaltung unterhielt in ganz Bayern Außenlager. Unter den Gästen wird am Sonntag Uri Hanoch sein, ein Überlebender, der aus Israel anreist (Programm Kaufering). Vorläufiger Höhepunkt der Fahrt durch Bayern ist die Zugstation München (Programm München). Aus München wurden mehr als 200 Kinder und Jugendliche deportiert. Ihnen zum Gedenken bereitet eine Zug-Arbeitsgruppe seit Wochen örtliche Begleitveranstaltungen vor. Wegen des absehbaren Zuspruchs der Münchener wurde der Aufenthalt verlängert: Der Zug der Erinnerung wird nun vom 27. April bis zum 3. Mai auf Gleis 35 des Hauptbahnhofs stehen. Um ihre jugendlichen Staatsbürger zu ehren, wollen die konsularischen Vertreter mehrerer Länder am Münchener Hauptbahnhof Blumen niederlegen.


Und erinnere Dich immer an mich...

Der letzte Gruß der Mina Hirsch/ Die Deportationen aus Ulm/ Dank an das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg (KZ-Gedenkstätte)

Mina Hirsch wurde mit der "Reichsbahn" aus Ulm
verschleppt. Sie kehrte nicht zurück.

ULM - Nach Ende der Osterpause ist der "Zug der Erinnerung" in den Ulmer Hauptbahnhof eingefahren. Dort steht er seit Montag bis Mittwoch Abend auf Gleis 25 und zeigt seine viel beachtete Ausstellung. Die Termine für Schulklassen sind so gut wie ausgebucht. Nach der Eröffnung durch Oberbürgermeister Ivo Gönner werden mehrere Tausend Besucher erwartet, die in den regionalen Waggonbereichen Exponate aus Ulm sehen können. Das Stadtarchiv hat dafür seine über viele Jahre zusammengetragenen Dokumente zur Verfügung gestellt. Mit Begleitveranstaltungen beteiligt sind auch die Ulmer Ärzteinitiative IPPNW und die Volkshochschule (Flyer Ulm). Die Koordination hat das Ulmer Dokumentationszentrum übernommen (www.dzokulm.telebus.de), dessen Initiative den Aufenthalt des Zuges erst möglich machte. "Ohne die entschiedenen Aktivitäten des Dok-Zentrums hätte der Zug an Ulm vorbeifahren müssen", dankte Ute Schilde dem Leiter der Gedenkstätte, Silvester Lechner.

Die Gedenkstätte, ein bürgerschaftlicher Verein, und die Stadt Ulm bemühen sich seit Jahren, die Erinnerung an die aus Ulm Deportierten wach zu halten. Jüngstes Ergebnis ist das "Gedenkbuch für die Ulmer Opfer des Holocaust" (Autor: Ingo Bergmann). Die 180 Seite starke Dokumentation listet detaillierte Biographien der verschleppten Ulmer auf, darunter die nur kurze Lebensgeschichte der Mina Hirsch.

Mina, von ihren Freunden auch "Bobby" genannt, kam 1927 in Ulm zur Welt und musste mit 9 Jahren die staatliche Schule verlassen, weil sie Jüdin war. Ihr letzter Gruß an eine Freundin trägt das Datum des 11. September 1940:

"Liebes, gutes Hannelorle, denke gern an die schönen Stunden, die wir zusammen verbracht haben. Bleibe gesund mit Deinen lb. Eltern. Alles Gute und erinnere Dich immer an mich, wenn Du mich nicht mehr sehen solltest. Deine Bobby."

Mina Hirsch war 15 Jahre alt, als sie die "Deutsche Reichsbahn" mit ihren Eltern nach Auschwitz deportierte. Mina Hirsch ("Bobby") kehrte nicht zurück.

Über eine andere verschleppte Ulmerin, die 1926 geborene Edith Weil, heißt es im "Gedenkbuch": "Edith Weil wurde am 12. Oktober 1944 zusammen mit ihrer Mutter in den Transport 'Eq' nach Auschwitz eingereiht. Dieser Transport kam zwei Tage später im Vernichtungslager an. Die kleinere Gruppe der als arbeitsfähig beurteilten Juden kam in das Übergangslager (...). Der Großteil der Neuankömmlinge wurde jedoch noch am selben Tag in der Gaskammer des Krematoriums III ermordet, unter ihnen vermutlich auch Edith Weil." Edith Weil war 18 Jahre alt.


"Der Abtransport erfolgte mit dem Zug 10 Uhr 12 Minuten"

Die Ausrottung der jüdischen Landgemeinden/ Ausstellung in Laupheim/ Bericht der Zugbegleiter

Auf dem Weg in die Vernichtung.

BIBERACH/LAUPHEIM - Kurz vor Beginn der Osterpause hat die Ausstellung im "Zug der Erinnerung" die Stadt Laupheim erreicht (Landkreis Biberach). Bis zur fast vollständigen Ausrottung gehörte der Kreis zum traditionellen Siedlungsgebiet jüdischer Landgemeinden. Der Vater von Albert Einstein war hier zu Hause. Um die Deportationen, die 1941 einsetzten, bemühte sich die "Staatspolizeileitstelle" Stuttgart. Sie informierte die Landräte und Polizeidirektoren über Vorbereitung und Ablauf der Verschleppungen. Wie überall in Deutschland organisierte die "Reichsbahn" die Logistik. Die Jüdische Kultusvereinigung Württemberg musste per Rundschreiben Anweisungen über die bevorstehende "Evakuierung" übermitteln. Vor Ort bewachten und durchsuchten Gendarmerieposten die zur Deportation bestimmten Menschen. Wie scheinbar alltäglich der Weg in den Tod begann, zeigt eine Fotoserie aus Laupheim. Mit Pferdewagen wurden die wenigen Habseligkeiten, die zur Mitnahme erlaubt waren, an die kleine Bahnhofsstation transportiert. Uniformierte, bei denen es sich um Mitbürger oder sogar Bekannte der Deportierten gehandelt hat, nahmen pflichtgemäß ihre Amtsgeschäfte wahr. Die Demütigungen des vorbereitenden Mordgeschehens fanden in emotionslosen Berichten der Mittäter keine Erwähnung. So heißt es im "Bericht des Gendarmerie-Postens Laupheim an den Landrat in Biberach vom 28. November 12941" lakonisch: "Betr. Abschiebung von Juden in das Reichskommisariat Ostland (...) Der Abtransport der abzuschiebenden 23 Juden erfolgte am 28.11.1941 mit dem Zug 10 Uhr 12 Minuten. Die Abschiebung hat sich reibungslos vollzogen."

Der kleine Bahnhof Laupheim (West) gehört zu den wenigen Tatorten, an denen eine Gedenkplakette auf das frühere Deportationsgeschehen aufmerksam macht. Initiator ist ein privater Stifter. Weder die Bundesbahn noch die heutige Deutsche Bahn AG haben die Initiative ergriffen. Hingegen fühlt sich der Landkreis seiner Geschichte verpflichtet. Im Laupheimer Schloss dokumentiert eine eindrucksvolle Dauerausstellung die jüdische Vergangenheit. Als der "Zug der Erinnerung" die Gemeinden Biberach und Laupheim um Unterstützung für die geplanten Aufenthalt bat, kam es sehr schnell zu gemeinsamen Vorbereitungen. Binnen weniger Wochen waren die Besuchstermine für Schulen ausgebucht. Eine aktive Beteiligung einzelner Klassen an der Spurensuche nach den Opfern begann. Über die Ergebnisse berichten die pädagogischen Zugbegleiter in ihren Tagesprotokollen: "Die Arbeit der 7d des Biberacher Wieland-Gymnasiums setzt sich mit dem Geschehen der Deportation selbst auseinander. Die Schülerinnen und Schüler haben versucht, sich in Kinder hinein zu versetzen, die mit ihrer Familie in einen Deportstionsdzug steigen mussten (...) Das Ergebnis sind sehr beeindruckende, einfühlsame Briefe (...) Allein am vergangenen Montag kamen 22 Schulklassen in den Zug. Das Interesse haben wir als ungewöhnlich hoch wahr genommen."

Dieses Engagement hält in Laupheim an, wo der "Zug der Erinnerung" noch bis zum Mittwoch Abend auf Gleis 1(Laupheim Stadt) steht.


Konstanz: Gedenken stärker als alle Verbote

Behinderungen durch die DB AG können den Zug nicht aufhalten/ Starke Unterstützung der Zivilgesellschaft/ Auf dem Weg nach Biberach, Laupheim und Ulm

Lucienne Barnet gehörte zum Kuriernetz des
französischen Widerstands und wurde 1944 ermordet.

KONSTANZ/BERLIN - Das von der DB AG erlassene Presseverbot und die Androhung einer Zahlung in Höhe von 10.000 Euro für die Stromversorgung des Zuges (Konstanz: Zehntausend Euro für eine Steckdose) hat das Gedenken an die Opfer der NS-Massendeportationen auch in Konstanz nicht stoppen können. Binnen weniger Stunden legte das Bauamt der Stadt für den Zug eine Notleitung. Kurz nach Mitternacht trafen Lok und Wagen aus Freiburg ein, wo binnen vier Tagen 7.530 Besucher gezählt wurden (Medienberichte). Noch vor der offiziellen Eröffnung in Konstanz kam Oberbüürgermeister Frank in die Ausstellung und schilderte seine Eindrücke in einer sehr persönlichen Rede. David Seldner vom Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden begrüßte den Zug. Wie bereits an den anderen Stationen wurden lokale Exponate eingebracht, die unter Anleitung des Stadtarchivs und des Kulturbüros mit interessierten Jugendlichen vorbereitet worden waren. Spurensuche ist in Konstanz nicht neu: Für die Verlegung von Stolpersteinen wird hier seit Jahren recherchiert.

Auch wegen der Nähe zur Schweizer Grenze haben erstaunlich viele Verfolgte üüberleben können - für eine unbekannte Anzahl von Sklavenarbeitern aus dem KZ Dachau gilt das nicht. Rund 800 KZ-Häftlinge kamen im Oktober 1944 in das benachbarte Überlingen, wo sie ein unterirdisches Stollensystem für die Friedsrichshafener Industrieunternehmen bauen mussten. Man schätzt, dass etwa 600 dieser Häftlinge von den französischen Truppen befreit werden konnten. Zum Begleitprogramm in Konstanz gehört die Besichtigung der Dokumentationsstätte Goldbacher Stollen und KZ Aufkirch (Flyer Konstanz.

Dem Ende der deutschen Massenverbrechen hatten Widerstandskämpfer aus dem benachbarten Alsace zugearbeitet. Eine ihrer Organisationen war der "Réseau Alliance". Dort arbeiteten u.a. Henriette Amable, Lucienne Barnet, Marie-Thérèse Mengel und Simone Pauchard am Aufbau eines Nachrichtennetzes, das die deutschen Truppen ausspähte. Als Kurierinnen und Verbindungsagentinnen versteckten sie in den ausgehöhlten Absätzen ihrer Holzschuhe wichtige Nachrichten, beschafften Lebensmittel und zeichneten sich durch "Mut, Tatkraft und Schnelligkeit" aus. Die Gestapo kam der "Alliance" auf die Spur. Die vier Frauen wurden verhaftet und im Offenburger Gefängnis interniert. Als das NS-Ende absehbar war, veranstalteten die Nazis ein Massaker: in Offenburg (4 Ermordete), in Kehl (9 Ermordete), Rastatt (12 Ermordete), Freiburg (3 Ermordete), Bühl (8 Ermordete), Pforzheim (25 Ermordete) und Gaggenau (9 Ermordete). Auch dieser Opfer wird an den südbadischen Stationen im "Zug der Erinnerung" gedacht.

Nächste Haltebahnhöfe sind Biberach, Laupheim und Ulm.


Konstanz: Zehntausend Euro für eine Steckdose

Die DB AG erhöht die Preise für das Gedenken an die Deportationsopfer/ TV-Interviews auf Bahngelände weiter verboten

Strom abgeschaltet - Interviews verboten

KONSTANZ/BERLIN - 24 Stunden vor Ankunft in Konstanz hat die DB AG dem "Zug der Erinnerung" telefonisch mitgeteilt, dass eine Stromversorgung auf Gleis 1 des Hauptbahnhofs nicht zur Verfügung stehe. Um die Ausstellungswagen dennoch mit Licht zu versorgen, müssten 10.000.- Euro (in Worten: zehntausend Euro) gezahlt werden. Zur Begründung heißt es, dass sich weder im Hauptbahnhof noch auf den Gleisanlagen eine geeignete Steckdose befinde. Die Sperrung des für sicher gehaltenen Stromzugangs erfolgt so kurzfristig, dass eine technische Alternative nur schwer herstellbar ist. Anfahrt und Aufenthalt des Zuges in Konstanz stehen in Frage. Damit verschärft die DB AG ihren Boykott, dessen bisheriger Höhepunkt das Verbot von Filmaufnahmen vor dem "Zug der Erinnerung" ist (Anordnung der DB AG: Die öffentliche Berichterstattung wird eingeschränkt). Wie die Pressestelle der DB AG anordnet ("Gestattung für Aufnahmen auf Gelände und in Anlagen der DB AG"), werden "Interviews mit Initiatoren der Veranstaltung ... nicht auf DB-Gelände gemacht".

Um das Gedenken an die Deportationsopfer in Konstanz trotz der neuen Behinderungen zu ermöglichen, hat der Verein die städtische Verwaltung gebeten, auf Gleis 1 einen dieselgetriebenen Stromgenerator bereitzustellen, der die provisorische Versorgung der Ausstellung doch noch sichern könnte. Ohne Beleuchtung sind die Exponate - Fotos und Dokumente der deportierten Kinder - nicht zu erkennen. Der Verein bittet die Konstanzer Öffentlichkeit um Hilfe und Unterstützung. "Die Deutsche Bahn AG setzt ihre Politik der Ignoranz, des Boykotts und der Unterdrückung des Gedenkens fort", heißt es in einer Stellungnahme der Zugbegleiter. "Gegen diese Geschichtsvergessenheit steht der stille Protest von bisher 280.000 Menschen, die auf die Bahnhöfe kommen, um die Deportierten zu ehren. Dieser Zuspruch ist stärker als jedes Verbot."


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